Systemtische Reviews und Metanalyse von hömopathischen RCTs (Mathie et al. – 2014)

Systematische Reviews/Metaanalysen
Humanhomöopathie, Individualisierte Homöopathie, Mehrere Krankheiten

Systematisches Review und Meta-Analyse von randomisierten placebokontrollierten Studien mit individualisierten homöopathischen Behandlungen

Systematische Reviews von randomisierten placebokontrollierten Studien (mit oder ohne Meta-Analyse) stehen allgemein in der Hierarchie der Evidenz klinischer Forschung an erster Stelle (vgl. Übersicht Homöopathieforschung). In der Vergangenheit wurde in verschiedenen systematischen Reviews die homöopathische Literatur zu randomisierten kontrollierten Studien analysiert [1-6]. Fünf dieser systematischen Übersichtsarbeiten kamen zu dem Schluss, dass sich die homöopathische Intervention mit wichtigen Vorbehalten [1] wahrscheinlich von Placebo unterscheidet [1-5]. Dagegen folgerten Shang et al. aus ihrem systematischen Review, dass die klinisch feststellbaren Effekte homöopathischer Behandlungen mit Placeboeffekten vergleichbar seien [6]. In allen diesen Reviews wurden Studien mit individualisierter homöopathischer Behandlung, bewährte Indikationen für klinische Standard-Situationen und konventionelle Diagnosen, Komplexmittel-Homöopathie und Isopathie gleichwertig berücksichtigt. In vier dieser Reviews unterschieden die Autoren Studien mit individualisierter Behandlung von den anderen Formen der Intervention – entweder durch bloße Identifizierung [2, 6] oder in einer formalen Subgruppenanalyse [3, 4]. In den zusammenfassenden Analysen wurden jedoch alle vier Formen der Intervention gleichwertig behandelt. 1998 wurde eine Meta-Analyse veröffentlich, in der die Autoren ausschliesslich Studien mit individualisierten homöopathischen Behandlungen berücksichtigten [7]. In dieser Arbeit wurde ein signifikanter Gesamtbehandlungseffekt festgestellt, der für die Studien mit bester Qualität geringfügig nicht belegt werden konnte.

Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Ergebnisse dieser Arbeit zu überprüfen und ein auf den neuesten Stand gebrachtes systematisches Review und eine Meta-Analyse durchzuführen. Getestet wurde die Hypothese, dass das Ergebnis einer individualisierten homöopathischen Behandlung von einer Placebobehandlung unterscheidbar sei.

Methode: Es wurde eine umfassende Literaturanalyse in allen wichtigen Datenbanken durchgeführt. Für jede Studie wurde eine Hauptzielgrösse gemäss WHO-Richtlinien bestimmt (z.B. Häufigkeit von Migräneattacken pro Monat etc.). Zwei Reviewer nahmen diese Bewertung unabhängig voneinander vor und analysierten die notwendigen Daten. Für jede Studie wurde das Verzerrungspotential („Risk-of-Bias“) mithilfe der Cochrane „Risk-of-Bias“ Beurteilungsmethode bestimmt. Die Resultate sind umso zuverlässiger, je geringer die Verzerrung in einer Studie ist. Die Reviewer analysierten, ob das Verzerrungspotential gering, unklar oder hoch sei und zwar jeweils in den folgenden Bereichen:

I.       Grad der Randomisierung
II.    Geheimhaltung, um die Randomisierung zu implementieren
IIIa. Verblindung der Studienteilnehmer und des Personals
IIIb. Verblindung der Ergebnis-Gutachter
IV.   unvollständige Ergebnisdaten
V.    selektive Ergebnisberichterstattung und
VI.   andere Quellen von Bias.

Zudem wurden verschiedene statistische Analysen durchgeführt. Unter anderem verwendeten die Autoren den „Funnel plot“a und den Egger-Testb, um den Bias der Publikation zu ermitteln. Als „Effektgrösse“ (Messgrösse für die Stärke des Unterschieds) wurde die Odds Ratio (OR) bestimmt. Ist die OR grösser als 1, bedeutet dies einen signifikanten Effekt zugunsten der Homöopathie. Liegt die OR zwischen 1 und 2.10 dann wird dieser Effekt als gering signifikant eingeschätzt, zwischen 2.1 und 3.6 als mittel und über 3.60 als hoch [8].

Ergebnisse: Für das systematische Review konnten 32 Studien ausgewählt werden. Diese Studien umfassen 24 unterschiedliche Krankheiten. Bei drei dieser Studien [9-11] wurde das Verzerrungspotential als unsicher aber zuverlässig eingeschätzt, bei 12 als unsicher und nicht-reliabel und bei 20 Studien als hoch. Aus 22 Studien konnten die für die Meta-Analyse notwendigen Daten extrahiert werden. Die OR für alle diese Studien betrug 1.53 (5% Irrtumswahrscheinlichkeit, Vertrauensintervall 1.22 bis 1.91). Für die drei zuverlässigen Studien ergab die Sensitivitätsanalyse eine OR von 1.98 (Irrtumswahrscheinlichkeit 5%, Vertrauensintervall 1.16 bis 3.38).

Schlussfolgerungen: Die Autoren ziehen aus ihrer Studie den Schluss, dass individualisierte homöopathische Behandlungen einen kleinen, spezifischen Behandlungseffekt haben könnten, der sich von Placebo unterscheidet. Diese Ergebnisse stimmen mit den Subgruppen-Analysen früherer systematischer Reviews überein. Aufgrund der geringen und unsicheren Gesamtbewertung der analysierten Studien müssen diese Ergebnisse aber vorsichtig interpretiert werden. Neue qualitativ hochwertige randomisierte kontrollierte Studien sind notwendig, um bessere Interpretationen und eine fundiertere wissenschaftliche Debatte zu ermöglichen.

Erläuterungen

a In der Meta-Analyse-Forschung ist eine Funnel-Plot, auch Trichtergrafik oder auch Trichterdiagramm genannt, eine Grafik, die es ermöglicht, einen Verdacht auf Publikationsbias im Rahmen einer Metaanalyse zu überprüfen. Die übliche Darstellung ist ein Streudiagramm in einem kartesischen Koordinatensystem, wobei der Behandlungseffekt auf der x-Achse gegen die Studiengröße auf der y-Achse aufgetragen wird. Bereits durch einfaches Betrachten lässt sich ein Funnel-Plot auswerten: Eine symmetrische Form entsteht aus einer ausgewogenen Studienveröffentlichung, welche die Ergebnisse im Rahmen der natürlichen statistischen Streuung abbildet. Deshalb sollten größere Studien präzisere Ergebnisse erreichen, die näher am Mittelwert aller Studienergebnisse liegen. Ist das Bild durch viele kleine Studien auf einer Seite des Mittelwertes asymmetrisch, so spricht dies stark für nicht veröffentlichte oder nicht durchgeführte Studien mit gegenteiligen Ergebnissen.

b Der Egger-Test überprüft den Funnel-Plot auf Asymmetrie.

Literatur

Originaltitel: Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis

Robert T Mathie1, Suzanne M Lloyd2, Lynn A Legg3, Jürgen Clausen4, Sian Moss5, Jonathan RT Davidson6, Ian Ford2
1British Homeopathic Association, Luton, UK.
2Robertson Centre for Biostatistics, Institute of Health and Wellbeing, University of Glasgow, Glasgow, UK.
3Department of Biomedical Engineering, University of Strathclyde, Glasgow, UK.
4Karl und Veronica Carstens-Stiftung, Essen, Germany.
5Homeopathy Research Institute, London, UK.
6Department of Psychiatry and Behavioral Sciences, Duke University Medical Center, Durham, NC, USA.

Veröffentlicht in: Systematic Reviews 2014, 3:142.

 

1.  Linde K, Scholz M, Ramirez G, Clausius N, Melchart D, Jonas WB: Impact of study quality on outcome in placebo-controlled trials of homeopathy. J Clin Epidemiol 1999, 52:631–636.
2. Kleijnen J, Knipschild P, ter Riet G: Clinical trials of homoeopathy. BMJ 1991, 302:316–323.
3. Linde K, Clausius N, Ramirez G, Melchart D, Eitel F, Hedges LV, Jonas WB: Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. Lancet 1997, 350:834–843.
4. Cucherat M, Haugh MC, Gooch M, Boissel JP: Evidence of clinical efficacy of homeopathy. A meta-analysis of clinical trials. Eur J Clin Pharmacol 2000, 56:27–33.
5. Hahn, R G: Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data. Forsch Komplementmed 2013;20:376–381.
6. Shang A, Huwiler-Muntener K, Nartey L, Juntherapiesi P, Dorig S, Sterne JA, Pewsner D, Egger M: Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet 2005, 366:726–732.
7. Linde K, Melchart D: Randomized controlled trials of individualized homeopathy: a state-of-the-art review. J Altern Complement Med 1998, 4:371–388.
8. Mathie R T, Clausen J: Veterinary homeopathy: systematic review of medical conditions studied by randomised placebo-controlled trials. Veterinary Record 2014 175: 373-381
9. Jacobs J, Jimenez LM, Gloyds SS, Gale JL, Crothers D: Treatment of acute childhood diarrhea with homeopathic medicine; a randomized clinical trial in Nicaragua. Pediatrics 1994; 93: 719e725.
10. Jacobs J, Springer DA, Crothers D. Homeopathic treatment of acute otitis media in children: a preliminary randomized placebo-controlled trial. Pediatr Infect Dis J 2001; 20: 177e183.

Bell I, Lewis D, Brooks A, et al. Improved clinical status in fibromyalgia patients treated with individualized homeopathic remedies versus placebo. Rheumatology 2004; 43: 577e582.