HVS-News 2022/1 – Editorial

HVS-News Archiv

Wie weit unser Selbstverständnis als gut ausgebildete Homöopathinnen sich von dem unterscheidet, was manche Journalisten von uns denken, damit wurde ich bei einer der neuesten Medienanfragen wieder einmal konfrontiert.

Die Dame möchte in einem vielgelesenen Blatt über das Flair der Frauen zu Esoterik berichten und erfragt dazu von uns die Angaben, wie viele weibliche und wie viele männliche Homöopathen in der Schweiz praktizieren und wie viele der Patienten Männer seien und wie viele Frauen.

Ich schnaube vor mich hin beim Lesen der Anfrage. „Wir sind nicht das statistische Amt und wir erheben keine solchen Zahlen!“ Das wäre eine inhaltlich korrekte, wenn auch wohl etwas unfreundliche Antwort. Journalisten neigen dazu, sich schreibend zu rächen, wenn man unfreundlich antwortet, also halte ich mich zurück.

Mir bleibt aber der Ausdruck „esoterisches Flair“ im Zusammenhang mit unserem Beruf im Hals stecken. Das kann ich nicht unkommentiert lassen. Also verweise ich freundlich auf die höhere Fachprüfung und das eidg. Diplom. Mit einer Geheimlehre hat die Homöopathie nichts zu tun. Wir sind ein Gesundheitsberuf und im Nationalen Register der Gesundheitsberufe eingetragen. So! Mail abgeschickt!

Ein paar Stunden später schreibt die Dame zurück: „Bitte beantworten Sie einfach meine Fragen!“ Vermutlich hat sie ihren Artikel im Kopf bereits geschrieben und braucht nur noch ein paar Zahlen von mir dazu, damit das Ganze seriös aussieht. Ok, dann muss ich halt doch klarstellen, dass wir nur einer von vier möglichen Verbänden für praktizierende Homöopathen sind und ausserdem längst nicht alle Homöopathinnen Mitglied in einem Verband seien. Meines Wissens gebe es auch keine Zahlen über die Geschlechterverteilung bei den Patienten. Aber dann packt mich die Neugier, ich recherchiere und stelle fest, dass die Berner Fachhochschule für Gesundheit einen Artikel zur Geschlechterverteilung auf ihrer Webseite hat: Von 100 Pflegefachpersonen in Spitälern und Spezialkliniken sind nur 14 Männer. Den Link zum Artikel schicke ich mit. Ob diese Verteilung auch mit dem esoterischen Flair von Frauen zu tun hat?

Ein paar Tage später bekomme ich eine E-Mail, die Redaktion habe beschlossen den Artikel später irgendwann erscheinen zu lassen, man melde sich dann wieder… Ok, dieser Kelch eines unsinnigen Artikels ist vorläufig an uns vorbeigegangen.

Wir gehören nicht zu den Berufen, über die Journalistinnen schreiben, weil sie etwas Recherchiertes weitergeben wollen. Über Homöopathie wird geschrieben, um den Lesenden mitzuteilen, was die Redaktion davon hält. Und diese Haltung differiert zur Bevölkerung genauso wie unser anfangs erwähntes Selbstverständnis. Gemäss neuester EMR Umfrage haben nämlich 65% der Schweizer Bevölkerung Komplementärmedizin schon einmal benutzt, 47% davon in den letzten drei Jahren. Mit 67% hat die Schweizer Bevölkerung 2009 „JA“ gesagt zu einer Zukunft mit Komplementärmedizin.

Medien haben eben auch den Auftrag, Minderheiten eine Stimme zu geben. Damit müssen wir uns wohl abfinden, denn wir sind in der Mehrheit…

Beatrice Soldat