HVS-News 2022/1 – Evidenzbasierte Veterinär-/Homöopathie und ihre mögliche Bedeutung für die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzproblematik

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P. Weiermayer (1), M. Frass (2), T. Peinbauer (3), L. Ellinger (4)

Diese Übersichtsarbeit will anhand des Beispiels der Antibiotikaresistenz klären, ob zur Wirkung von Homöopathie im Allgemeinen eine ausreichende Evidenz vorliegt, um universitäre Lehre und qualitativ hochwertige Forschung fordern zu können. Um dieses Ziel zu verfolgen, hat die Autorenschaft a.) die Grundprinzipien der Homöopathie gemäss Organon der Heilkunst und aktuellen Richtlinien, b.) die gesetzlichen Bestimmungen zu homöopathischen Arzneimitteln sowie zur Durchführung veterinär-homöopathischer Therapien in der Schweiz, in Österreich und Deutschland gemäss aktueller geltender Gesetze sowie c.) Metaanalysen und systematische Reviews zu verschiedenen Indikationen und zu verschiedenen homöopathischen Methoden gemäss einer Literatur- und Datenbanksuche bis August 2019 in verschiedenen Datenbanken analysiert. Weiter werden der erste und zweite Australische NHMRC Report (National Health and Medical Research Council) von 2012 und 2015 und das EASAC Statement (European Academies Science Advisory Council) von 2017 genauer untersucht.

Drei weitere Gründe für diesen Artikel waren laut Autorenschaft die folgenden: erstens die globale Bedrohung durch die Antibiotikaresistenzproblematik gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO), zweitens die Forderung der Kommission der Europäischen Union (EU) im aktuellen One Health Action Plan nach Forschung im Bereich der Komplementärmedizin und drittens die Forderung der WHO, die Komplementärmedizin in die nationalen Gesundheitssysteme zu integrieren.

Hinsichtlich externer Evidenz zur Human- und Veterinär-Homöopathie im Allgemeinen wurde auf Studien der Evidenzstufe 1a (5) eingegangen. Bei Fokussierung auf die externe Evidenz zur Homöopathie bei Infektionen wurden auszugsweise Studien der Evidenzstufe 1a, 1b, 2c sowie ein Fallbericht näher beschrieben. Wer dazu mehr Details möchte, kann gerne den Originaltext lesen (deutsch).

Schlussfolgerungen

Die aktuellen nationalen Gesetze (Schweiz, Österreich, Deutschland) und die EU-Gesetzgebung gewähren Qualität und Unbedenklichkeit homöopathischer Arzneimittel und Sicherheit lege artis durchgeführter homöopathischer Therapien.

Evidenz für die Wirksamkeit der Human- und Veterinär-Homöopathie im Allgemeinen und im Speziellen bei der Behandlung von Infektionen ist für weiterführende Forschungen in diesem Bereich hinreichend belegt. Fünf der sechs Metaanalysen zu verschiedenen Indikationen bis 2014 kamen zu dem Schluss, dass sich die Wirksamkeit der homöopathischen Therapie von Placebo unterscheidet. Nur der systematische Review mit Metaanalyse von 2005 (Shang et al.) sowie der zweite Australische NHMRC Report und das EASAC Statement, wo jeweils mehr als 90% der Studien von der Analyse ausgeschlossen wurden, zeigten keine Wirksamkeit der Homöopathie über Placebo hinaus. Ein Review von 2013 bestätigte bereits, dass mehr als 90% aller Studien ausgeschlossen werden müssen, um folgern zu können, dass Homöopathie nicht wirksam sei. Besonders für die individualisierte Homöopathie sind Effekte auf allen Qualitätsstufen nach Cochrane-Kriterien (6) erkennbar, auch in den methodisch hochwertigen Studien. Offenbar führten nicht-wissenschaftliche Interessen zu den Fehlinformationen über die Homöopathie, die heutzutage in vielen Medien zu hören und lesen sind.

Es sind vor allem für die individualisierte Homöopathie Effekte auf allen Qualitätsstufen nach Cochrane-Kriterien erkennbar, aber wie in der Mehrzahl der Gebiete der Veterinär-/Medizin sind weitere gute/exzellente Studien nötig.

Für die Wirksamkeit der Homöopathie ist die Auswahl des Similes (des individuell passenden homöopathischen Arzneimittels) durch entsprechend ausgebildete homöopathisch behandelnde Ärzte/Tierärzte, und für die Qualitätssicherung der Studien deren Durchführung an universitären Einrichtungen Grundvoraussetzung. Folglich ist die bessere Integration der Homöopathie an den Universitäten eine notwendige Forderung im Sinne der Patienten. Diese absolut notwendige Konsequenz wird durch die amerikanische Consensus Guideline zur universitären Ausbildung in integrativer Veterinärmedizin bereits geltend gemacht und ist in der Schweiz gemäss Medizinalberufegesetz für Unterricht und Forschung an der Universität gesetzlich verankert.

Nebst Studien zum Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie bei Infektionen zeigen Daten aus der Versorgungsforschung, sogenannte Real World Data, das Potenzial einer signifikanten Reduktion des Antibiotikaeinsatzes durch homöopathische Behandlungen auf. Nicht zuletzt aufgrund der globalen Bedrohung durch die Antibiotikaresistenzproblematik bedarf es in der Human-Homöopathie genau wie in der Veterinär-Homöopathie dringend weiterer methodisch hochwertiger Studien.

Der Volltext des narrativen Reviews kann hier nachgelesen werden:
https://sat.gstsvs.ch/de/sat/sat-artikel/archiv/2020/102020/evidence-based-homeopathy-and-veterinary-homeopathy-and-its-potential-to-help-overcome-the-antimic.htm

 

  1. Tierärztin, Tierarztpraxis Dr. Weiermayer, Diplom der Europäischen Akademie für Veterinärhomöopathie (EAVH), Fachtierärztin für Homöopathie, Sprecherin der Sektion Forschung der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Homöopathie (WissHom), Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Veterinärmedizinische Homöopathie (ÖGVH), Wien, Österreich
  2. Facharzt für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin, em. Professor für Innere Medizin der Medizinischen Universität Wien, Diplom der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) für Homöopathie sowie für Begleitende Krebsbehandlung, 1. Vorsitzender von WissHom, Präsident des Österreichischen Dachverbands für Ärztliche Ganzheitsmedizin, Wien, Österreich
  3. Arzt für Allgemeinmedizin, ÖÄK-Diplom für Homöopathie, Universitätslektor für Allgemeinmedizin und Modulbeauftragter für Komplementärmedizin, Medizinische Fakultät, Johannes Kepler Universität Linz, Österreich
  4. Tierärztin, Centaurea, Apeldoorn, Holland
  5. Mit Hilfe von Evidenzklassen (Ia bis IV) erfasst man in der Medizin die wissenschaftliche Aussagefähigkeit klinischer Studien. Es lässt sich sagen: Je höher die Evidenzklasse einer Studie, desto breiter ist ihre wissenschaftliche Basis. Studien der Klasse Ia haben die höchste Evidenz, Studien der Klasse V die geringste. (https://flexikon.doccheck.com/de/Evidenzklasse)
  6. Cochrane ist eine internationale, gemeinnützige und unabhängige Organisation, in der sich weltweit mehr als 30.000 Menschen engagieren. Ziel von Cochrane ist es, Ergebnisse aus klinischen Studien zu erfassen, zu bewerten und in ‚systematischen Übersichtsarbeiten’ (Cochrane Reviews) zusammenzufassen. Diese Evidenzbasis soll Ärztinnen, Patienten und anderen Entscheidungsträgern bei medizinischen Entscheidungen helfen und so die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern

https://doi.org/10.17236/sat00273 / Eingereicht: 18.10.2019, Angenommen: 30.07.2020
Zeitschrift: Schweizer Archiv Tierheilkunde (SAT/ASMV), Band 162, Heft 10, Oktober 2020
Kategorie: Übersichtsarbeit | Review / Pages: 597 – 615 / Online Date: 05 Oktober 2020
Referenzen: siehe Originaltext