HVS-News 2024/1 – Drosselspott

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Erneut müssen wir über einen tragischen Fall einer Amsel berichten, die nach Absolvierung ihrer hfp in tiefste Verzweiflung versunken ist. Sie wurde nach Einnahme einer Überdosis Schlafmittel verwahrlost in einem Gebüsch am Stadtrand aufgefunden. Die Reihe dieser mysteriösen Fälle wird inzwischen unheimlich. Die betroffene Amsel befindet sich noch immer in der REHA, dafür konnte Drossel-TV mit einer Kollegin reden, die wenige Wochen zuvor ein ähnliches Schicksal durchlitten hat.

Drossel-TV: Frau Amsel, können Sie uns Hinweise geben, wieso es seit etwa einem Jahr zu dieser Häufung von Verzweiflungstaten unter ihren Artgenossinnen kommt? Amsel: Wir sind alles Wahnsinnige, die den falschen Mut aufbringen, die hfp trotz zahlreicher Warnungen dennoch bestehen zu wollen. Dabei wissen wir inzwischen, dass die Prüfung zur ideologischen Kampfzone degradiert worden ist. Aber man hofft immer, dass es einen nicht erwischt und man das Glück hat, auf vernünftige Experten zu treffen. Wissen Sie denn Näheres zum neusten Fall? Meine Kollegin hat einen wunderbaren Fall beschrieben, in dem sie ihre Patientin mit einem idealen Mittel in zwei Jahren vollständig von ihren tiefen Depressionen heilen konnte. Deshalb hat sie die Prüfung nicht bestanden. Für Laien ist das unverständlich, können Sie unsere Zuschauer aufklären? Seit letztem Jahr wird verlangt, dass man das Arzneimittel unbedingt wechseln muss, sonst gibt es einen bösen Abzug. Das ist für sich allein schon absurd, dazu kommt aber, dass dieser Vorgang gegen aussen schlicht nicht transparent ist, das heisst, die Kandidatinnen wissen nichts von dieser Neuerung. Was vorher noch gut war ist jetzt plötzlich schlecht – und das ganz aus dem Nichts. Klingt nach Willkür! Drossel-TV hat auch recherchiert. Die Vorgaben auf der Homepage sagen eindeutig, dass man in der Homöopathie mit einem oder mit mehreren Mitteln zum Ziel kommen kann. Da kann der eine, offenbar auch elegantere Weg doch nicht plötzlich verboten werden?! Gibt es denn keine Rebellion gegen diese Missstände? Doch, es kursieren unter Selbsthilfegruppen kreative Vorschläge. Im konkreten Fall könnte man zum Beispiel einfügen, der Patientin gehe es mit ihren Depressionen längst wunderbar, hätte aber neu zwei Haare verloren. Dann streut man ein Zwischenmittel ein, zum Beispiel Phosphor, das verpfuscht zwar den ganzen Fall und die Patientin bekommt dummerweise Selbstmordgedanken, aber das ist egal, Hauptsache das Mittel wurde gewechselt. Also ganz nach der alten Devise: Operation gelungen, Patient gestorben? Treffend zusammengefasst! In der Selbstreflexion kann man auch noch genial beschreiben, dass man leider einen kleinen Fehler gemacht habe, das gibt nochmals ein paar Punkte und schon ist der Fall geritzt und man bekommt sein Papierchen. Ich halte diesen Mittelwechsel zwar für Nonsens, aber wir werden dazu gezwungen. Aber es gibt noch ein anderes Problem … Bitte, klären Sie uns auf! … die Patientin hat psychische Beschwerden, alles bestens abgeklärt und dokumentiert, also gibt es auch keinen Anlass für eine Untersuchung. Ohne solche wird man mit weiteren Abzügen bestraft. Ihre Kolleginnen tüfteln gewiss auch da an einem Ausweg!? Klar, man bittet die Patientin, ihre stinkenden Socken und Schuhe auszuziehen, palpiert die Fussnägel und schaut, ob sich die Depressionen vielleicht dort im Fusspilz verbergen. Und der Verlust von zwei Härchen hilft auch hier weiter, zwei Fliegen auf einen Streich. Nur zu – werden Sie etwas konkreter! Man inspiziert die Stelle mit den fehlenden Haaren, dreht die rundherum liegenden Haare fünfmal um den eigenen Finger und testet, ob sie vielleicht auch schon rissig sind. Bei einer Patientin mit kurzen Haaren kann man das aber nicht machen!? Dann perkussioniert man die kleine Glatze um zu zeigen, dass man auch diese Technik grossartig beherrscht. So hat man wenigstens die Experten um den Finger gewickelt. Wie untersucht man eigentlich einen Mann mit Prostatabeschwerden? Ganz einfach, man greift in sein Rektum und palpiert es, damit es keine Punkteabzüge gibt. Hat man das denn im Medizinunterricht geübt? Nein, warum auch, die Experten verlangen es, also macht man es. Alternativ könnte man für die kleine linke Zeh ein MRI veranlassen, auch wenn das schon fünfmal von den Spezialisten gemacht wurde. Vielleicht regt ein eingewachsener Nagel die Prostata zum Wachsen an.

Drossel-TV hat Fachleute um einen Kommentar zu diesen seltsamen Vorgängen gebeten. Wir dokumentieren hier ihre Antworten:

Rabe (Demokratie-Experte): Ein klassischer Fall, wie sich ein System mit den Jahren immer mehr abschottet, ohne Kontrolle von aussen, und sich zu einem autoritären System entwickelt. In der abgeschotteten Blase entstehen dumme Ideen, gegen die man sich nur noch mit kreativen Lösungen von unten wehren kann.

Schwan (Psychologin): Es ist doch wie immer ganz einfach. Die Experten sind alle eifersüchtig, weil sie bei ihren ersten Verordnungen immer danebengreifen und in ihrer Praxis nie von Beginn das passende Mittel finden. Sie wollen um jeden Preis vermeiden, dass gute Homöopath*innen die Prüfung bestehen und so unliebsame Konkurrenz aufkommt.

Elster (Ökonomin): Mon Dieu, die haben doch behauptet, die Gesundheitskosten senken zu wollen, jetzt treiben diese Wirren die Kosten weiter in die Höhe. Merde!

Rebhuhn (FMH): Da werden sich unsere Urologen und Gynäkologinnen über die selbstgefällige Konkurrenz freuen, die glaubt, Untersuchungen ohne eine einzige praktische Unterrichtsstunde vornehmen zu können, während sie selbst jahrlange Ausbildungen und harte Praxisjahre durchlaufen müssen. Was für eine Hybris!

Falke (Whistleblower, trägt eine dunkle Brille, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, möchte anonym bleiben): Man sollte nicht die Experten für dieses Desaster verantwortlich machen. Sie führen nur die Anweisungen von oben aus. Wie immer stinkt der Fisch vom Kopf her. Schaut verstohlen um sich und fliegt eilig davon.

Adler (Zen-Buddhist): Die Homöopathie haucht ihre Seele aus. Das ist schöner Anschauungsunterricht für die Skeptiker. Sie können lernen, wie man Homöopathie und Patienten am Einfachsten ins Nirwana befördert. Was den Skeptikern mit ihrer Dauerkritik nicht gelingt, das bewerkstelligen Funktionäre von innen her viel schneller und radikaler.

Das Schlusswort gehört der Eule (Wahrsagerin): Die hfp ist zur Lotterie geworden, leider kann ich nicht voraussehen, wer die Prüfung in Zukunft bestehen wird und wer nicht, das hängt von den zugeteilten Experten ab. Was ich aber voraussagen kann: Wenn dieser Wahn nicht erdrosselt wird, dann hat der Berufsverband bald keine Mitglieder mehr, weil sich niemand an die Prüfung wagt und viele Therapeutinnen aus Frustration ihre Praxis aufgeben werden. Was ja auch bereits geschieht.

mimus polyglottos

Nach Erscheinen des Interviews erhielt Drossel-TV einen Leserbrief von der Kleinen Zaunkönigin, welche die hfp kürzlich bestanden hat:

Bevor ich mit der Arbeit zur Fallstudie begann, habe ich auf der Homepage gründlich die geforderten Kompetenzen studiert. Ich fand alles sehr vage, den Leitfaden sogar chaotisch und wirr, nichts Konkretes. Ich fragte mich: Was wird da eigentlich von mir verlangt? Was muss die Arbeit inhaltlich enthalten, wie ausführlich sollen die einzelnen Teile beschrieben werden?

Ich habe eine Kollegin, welche kürzlich die hfp in einem anderen Beruf bestanden hat. Ihre Betreuer standen ihr mit Rat und Tat zur Seite. Und was ganz wichtig ist: sie hatte ein Dokument zur Verfügung, welches alle verlangten Kapitel auflistet mit einer konkreten Beschreibung, was im jeweiligen Kapitel stehen muss. Und neben jedem Kapitel und Unterkapitel steht die maximale Punktzahl, die erreicht werden kann, wenn der Text vollständig ist.

Für mich wäre es hilfreich gewesen, auch eine solche Liste mit klaren Vorgaben zu erhalten, was in der Fallstudie vorhanden sein muss. Ich wünsche mir das für künftige Prüflinge, nur so können tolle Arbeiten geschrieben werden. Transparenz und Fairness sind mir sehr wichtig. Ich würde mich freuen, wenn in Zukunft kein Geheimnis mehr um die Erwartungen an die Fallstudie gemacht würde.

Ihre Kleine Zaunkönigin

FlinkesFrettchen hat sich mit einer Stellungnahme gemeldet, die hier gelesen werden kann: https://hvs.ch/hvs-news-2024-1-flinkes-frettchen