Was hat Homöopathie mit Populismus zu tun? Anders gefragt: Ist Homöopathie deshalb populär – im „Volk“ beliebter als in der Wissenschaft -, weil sie simple Lösungen für komplexe Probleme verspricht? Ein paar Kügeli, und schon erfolgt die Heilung ohne Nebenwirkungen? (Dem würde mein anthroposophischer Arzt sogleich widersprechen; er hat zwar „grundsätzlich Mühe“ mit der Homöopathie; doch wenn er seinen Patient*innen keine Hochpotenzen verschreibt, dann nicht, weil sie wirkungslos seien, sondern, im Gegenteil, weil sie die Persönlichkeit eines Menschen bleibend zu verändern drohten). Hat die Homöopathie, bei allem Gegenwind, ähnlich wie Donald Trump, gerade deshalb Konjunktur, weil ihr etwas Unwissenschaftliches und Irrationales anhaftet, ihre (mögliche) Wirkungsweise somit für alle gleichermassen ein Rätsel ist? Die „ewige“ Frage: Wirkt einzig der Placebo-Effekt – mithin das Vertrauen auf, der Glaube an Heilung – oder sind weitere Kräfte im Spiel, die uns bloss (noch) verborgen sind, den Chemikerinnen ebenso wie Chemie-Laien? Hätte Aristoteles sich träumen lassen, dass seine Theorien mehr als zweitausend Jahre später durch die Genetik im Grundsatz bestätigt würden, während jahrhundertelang vorherrschende Theorien sich als falsch entpuppten?
Spielt der „Anti-Eliten-Reflex“ auch bei den Verfechterinnen der Homöopathie – nicht „ihr Wissenschaftler da oben“ sagt uns, dem Fussvolk, was wir zu glauben haben; das entscheiden wir gefälligst selber? (Donald Trump bringt es fertig, sich selbst als „Mann des Volkes“ zu inszenieren und den Anti-Eliten-Reflex für sich zu nutzen. Deshalb kann er auch die Klimafrage zur Glaubensfrage erklären. Denn Tatsache ist, dass die allermeisten Menschen zu den allermeisten „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ notgedrungen ein Verhältnis des Glaubens haben, sind sie doch nicht in der Lage, diese Erkenntnisse eigenständig nachzuvollziehen und zu überprüfen). Apropos Placebo-Effekt: Biochemisch spiele sich dabei nichts ab, lese ich im Internet, weil ja ein Placebo (wie eine Hochpotenz) keinerlei (nachweisbaren) Wirkstoff enthalte. Trotzdem gelten Placebo- wie Nocebo-Effekte als erwiesen. Dass der Glaube Berge versetzt, steht schon in der Bibel; diesbezüglich zumindest stehen wir heute am selben Punkt wie jene Menschen vor zweitausend Jahren, die ein Phänomen beschrieben, ohne es erklären zu können.
Ruth Schweikert, 55, ist Schriftstellerin und Dozentin. Sie schreibt Romane, Theaterstücke, Drehbücher und essayistische Texte. Sie lebt in Zürich, hat vier erwachsene Söhne und einen zwölfjährigen Nachzügler. Letztes Jahr erschien ihr neues Buch “Tage wie Hunde“, in dem sie ihre Brustkrebserkrankung zum Anlass nimmt, um schreibend über alles Mögliche nachzudenken.