Homöopathische Arzneimittelprüfungen produzieren andere Symptome als Prüfungen mit Placebo
Heribert Möllinger, Rainer Schneider und Harald Walach haben in „Forschende Komplementärmedizin“ im Jahr 2009 einen spannenden Artikel publiziert 1, in dem sie darlegen, dass die Einnahme homöopathischer Mittel andere Symptome produziert, als die Einnahme von Placebo.
In der Homöopathie werden diejenigen Symptome für die Mittelfindung verwendet, die bei gesunden Freiwilligen bei der häufigen Einnahme des gleichen homöopathischen Mittels beobachtet werden – der sogenannten Arzneimittelprüfung. Bis anhin war es nicht klar, ob sich diese Symptome von Placebosymptomen unterscheiden. Das Ziel der Studie war, zu zeigen, ob diese Arzneimittelsymptome bzw. Placebosymptome bei den Freiwilligen unterscheidbar sind.
Die Symptome der einzelnen Mittel in der Materia Medica beruhen meist sowohl auf der Sammlung von Symptomen aus Arzneimittelprüfungen, als auch auf toxikologischen Informationen. Jedes Homöopathikum zeigt spezifische Symptome, welche in der Totalität das Bild des Arzneimittels ergeben. Es gibt ca. 150 Mittel, die man als sogenannte Polychreste bezeichnet, die meisten davon gehen auf wiederholte Arzneiprüfungen von Hahnemann zurück.
Die Autoren haben in Pilotstudien ²,³ gezeigt, dass homöopathische Mittel offenbar Symptome produzieren, die eindeutig einem Mittel zugeordnet werden können und die sich von Placebosymptomen unterscheiden. Eine dieser Studien untersuchte zwei homöopathische Mittel gegen Placebo, die andere Studie war dreiarmig ausgelegt und untersuchte ein homöopathisches Mittel gegen Placebo. Sowohl die Auswahl des homöopathischen Mittels, als auch die Methode, waren strikt verblindet. In beiden Studien wurden die gleichen Mittel verwendet. Bei der Analyse zeigten sich in der Gruppe, die das homöopathische Mittel einnahmen, eindeutig mehr Symptome, die spezifisch für das Homöopathikum sind, als in der Gruppe, die das Placebo erhielt. Das war gemäss den Autoren das erste Mal, dass sich ein so eindeutiges Resultat in neueren, präzisen Studien zeigte. 4
Methode der Studie
Gesunde Ärzte, Teilnehmer eines Homöopathie-Kurses vom Zentralverein Deutscher homöopathischer Ärzte, wurden im Rahmen ihrer homöopathischen Ausbildung zu einer Arzneimittelprüfung eingeladen. Die Teilnahme war freiwillig. Die Studie wurde als sicheres medizinisches Eigenexperiment eingestuft (und musste darum nicht von einer ethische Kommission bewilligt werden), weil die Teilnehmer alles Ärzte und die eingenommenen Substanzen weit über der Avogadro’schen Zahl verdünnt waren. Folgende Kriterien schlossen sie von einer Teilnahme aus: akute Krankheit, chronische Erkrankung, die eine Medikamenteneinnahme bedingten, Notwendigkeit einer Einnahme von Medikamenten (exkl. Verhütungsmittel), aussergewöhnliche Belastung (familiär oder beruflich), momentane Einnahmehomöopathischer Mittel im Rahmen einer homöopathischen Behandlung, Einnahme eines homöopathischen Mittels in der C30 vier Wochen vor Studienbeginn, Einnahme eines homöopathischen Mittels in der C200 zwei Monate vor Studienbeginn oder Einnahme eines homöopathischen Mittels in der C1000 drei Monate vor Studienbeginn. 25 der 59 Ärzte, die sich zur Teilnahme an der Studie gemeldet hatten, erfüllten die Kriterien zur Teilnahme. Sie erhielten entweder ein homöopathisches Mittel (Natrium muriaticum C30 oder Arsen C30) oder ein Placebo. Die Mittel Natrium muriaticum und Arsen wurden von einem unabhängigen Apotheker nach dem Zufallsprinzip aus einer Liste von Polychresten ausgewählt. Diese Liste war lediglich dem Studienleiter und dem Apotheker bekannt, sowohl den Studienteilnehmenden, als auch dem Team, welches die Studie durchführte, war sie nicht zugänglich bzw. unbekannt. Die von der Liste ausgewählten Mittel waren anonymisiert, d.h. den Teilnehmenden, dem Administrationspersonal, sowie dem Studiendirektor waren die Mittel, sowie welche Gruppe welche Globuli erhält (Verum oder Placebo), nicht bekannt.
Die Teilnehmenden wurden angewiesen, am ersten Tag fünf Globuli und am zweiten Tag zweimal fünf Globuli einzunehmen. Die auftretenden Symptome wurden von den Studienteilnehmer in einem Tagebuch notiert. Die Auflistung der Symptome unterlag keinerlei Struktur, die Teilnehmenden wurden ausserdem dazu angehalten, die „erfahrenen“ Symptome möglichst genau zu beschreiben.
Die Abgabe des homöopathischen Mittel sowie des Placebos war identisch, d.h. es gab keine Indikation, ob man Verum oder Placebo erhielt.
Anschliessend wurden die Notizen nach dem „Kopf-zu-Fuss“ Schema geordnet. Diese Liste ging an einen „Materia Medica“-Experten. Er wusste, welche Mittel geprüft worden waren, war aber nicht informiert, welche Studienteilnehmer was eingenommen hatten. Mit Hilfe eines Repertorisationsprogrammes (Synthesis von Archibel) ordnete er die Symptome einem der beiden Mittel zu (Natrium m. oder Arsen). Er war zu keinem anderen Zeitpunkt an der Studie und deren Setting beteiligt.
Resultat
Von den 25 Studienteilnehmern erhielten zehn Natrium m., acht erhielten Arsen und sieben erhielten Placebo. Während der vier Tage dauernden Beobachtungszeit wurden total 165 Symptome aufgeschrieben.. Es zeigte sich, dass bei denjenigen, die Natrium m. erhielten, eindeutig mehr Natrium m.-Symptome notiert wurden; bei denjenigen, die Arsen erhielten, wurden klar mehr Arsen-Symptome notiert. Bei der Placebogruppe wurden mehr nicht-spezifische, d.h. Allgemeinsymptome notiert.
Diskussion
Gemäss den Autoren war diese Studie die erste, in welcher bei einer Arzneimittelprüfung mit klassischen homöopathischen Arzneimitteln klare und statistisch signifikante Unterschiede zwischen Placebo und Behandlungsgruppe in Bezug auf mittelspezifische Symptome gefunden wurden. 4. Interessant ist die Tatsache, dass die Anzahl aller notierten Symptome bei den Gruppen, die ein homöopathisches Mittel erhielten, ungefähr gleich war, hingegen etwa zweimal so hoch in der Placebo-Gruppe. Statistisch es das Resultat nur dann signifikant, wenn man die Symptome betrachtet, die mittelspezifisch sind. Ausserdem ist auffallend, dass in der Placebogruppe fast keine spezifischen Symptome, sondern ausschliesslich Allgemeinsymptome notiert worden waren.
Der Schwachpunkt in der Studie liegt gemäss den Autoren in der Tatsache, dass der Materia Medica-Experte entscheiden musste, ob ein Symptom für eines der Mittel nun typisch ist oder nicht. Seine Entscheidung beeinflusst klar das Ergebnis der Studie. Deshalb wurde die Wertung der Symptome einem Experten übertragen, der über langjährige Erfahrung verfügt. Ausserdem benutzte er ein Standard-Computerrepertorium, welches in der homöopathischen Praxis sehr gebräuchlich ist und alle Symptome eines Arzneimittels enthält. Somit ist dieser letzte Schritt der homöopathischen Praxis sehr nahe und darum auch vertretbar, wenn auch nicht ideal.
Die angewandte Studienmethode lässt sich nur dann anwenden, wenn ein homöopathisches Mittel gut bekannt ist (z.B. Polychreste). Es ist ungeeignet für eine Arzneimittelprüfung.
Die Autoren sind der Auffassung, dass sie mit ihrer Studie aufzeigt haben, dass die Einnahme von Homöopathika, im Gegensatz zu Placebo, mittelspezifische Symptome produzieren kann. Diese Daten legen den Schluss nahe, dass Homöopathie mehr ist als Placebo.
Wissenschaftsgruppe
Literatur
1 Homeopathic Pathogenetic Trials produce specific Symptoms different from Placebo, Heribert Möllinger, Rainer Schneider, Harald Walach, Forschende Komplementärmedizin, 2009; 16:105-110, DOI: 10.1159/000209386
2 Walach H, Sherr J, Schneider R, Shabi R, Bond A, Rieberer G: Homeopathic proving symptoms: result of a local, non-local, or placebo process? A blinded, placebo-controlled piolot study. Homeopathy 2004; 93:179-185
3 Möllinger H, Schneider R, Löffel M, Walach H: A double-blind, randomzed, homeopathic pathogenetic trial with healthy persons: Comparing two high potencies. Forsch Komplementärmedizin Klass Naturheilkunde 2004;11:274-280
4 Walach H, Möllinger H, Sherr J, Schneider R: Hmeopathic pathogenetic trials produce more specific than non-specific symptoms: Results from two double-blind placebo controlled trials. J Psychopharmacol 2008;22:543-552