Wissenschaftliche Überprüfung der Wirksamkeit von Hochpotenzen an Menschen (Walach, Teut, 2015)
Der von Harald Walach und Michael Teut in „Homeopathy“ (2015) publizierte Artikel fasst die Auffassung, Interpretation und Schlussfolgerung der Autoren über durchgeführten Arzneimittelprüfungen zwischen 1994 und 2015 zusammen.(1)
1994 konstatierte Walach, dass es nebst klinischen Versuchen keine klinisch durchgeführte Studie zu Hochpotenzen gibt. Hahnemann verschrieb – nach ersten unverdünnten Arzneimittelgaben – potenzierte Heilmittel. Er wusste damals noch nicht, dass ab der Potenz C12 keine Moleküle mehr nachweisbar sind. Er war aber der Auffassung, dass das Mittel mit dem schrittweisen Verdünnungsprozess seine Dynamik entwickle. Diese vitalistische Auffassung Hahnemanns kann entweder system-theoretisch oder semiotisch verstanden werden. Die Autoren wollten herausfinden, ob es möglich ist, dieses Phänomen in einem wissenschaftlichen Kontext zu untersuchen und zu beweisen.
In einer Pilotstudie (2) wurde 1993 untersucht, ob Belladonna C30 andere Symptome hervorbringen kann als Placebo. Es handelte sich um eine doppelblinde Crossover-Studie. Man gab während vier Wochen einer Gruppe von 47 gesunden Freiwilligen entweder Belladonna C30 oder ein Placebo. Daten (Symptome) wurden täglich notiert. Veränderungen wurden in einem vordefinierten System notiert. Die Evaluation zeigte lediglich eine Tendenz, dass es zwischen dem Verum und Placebo einen Unterschied gibt. Walach schlug vor, dieses Resultat in weiteren Untersuchungen nochmals zu ermitteln. Vor allem angesichts der Tatsache, dass sich die Effekte – alle Ergebnisse aufaddiert – aufheben.
Die erste Pilotstudie zeigte Hinweise auf unterschiedliche, aber nicht klare Effekte zwischen Placebo und Belladonna, die auch auf das crossover Design zurückzuführen sein könnten. In einem weiteren Schritt wurde deshalb in einem randomisierten single-case Design eine Studie durchgeführt, von der man sich ein klareres Ergebnis erhoffte (3). Die Resultate verblüfften. So waren die Effekte bei Belladonna signifikant. Erstaunlich war, dass es mehr „belladonna-typische“ Symptome gab als Placebosymptome.
Das war ein Hinweis darauf, dass das Modell der Kausalität in der Homöopathie falsch sein könnte. Ein Erklärungsmodell, welches bis dahin sowohl vom Autor selber als auch von anderen Forschern geteilt wurde. Dieses Modell besagt, dass durch den Prozess der Potenzierung spezifische Informationen der Ursubstanz erhalten bleiben und eine Wirkung erzielen, ohne molekulare oder materielle Spuren zu hinterlassen.
Walach merkt an, dass es schwierig ist, zu erklären, warum Hochpotenzen wirken, findet man doch keine Moleküle der Ursubstanz mehr in den Mitteln. Ausserdem finden sich durch den Potenzierungsprozess nicht nur Silicea (durch die Potenzierung in Glasbehältern) sondern auch andere Nanopartikel in einer Hochpotenz.
Es bestehen verschiedene Erklärungsmodelle, wie die „Information“ dieser Moleküle in einer Hochpotenz verbleibt. Diese basieren alle auf der Annahme der Kausalität. Die Tatsache, dass die Placebo-Gruppe ebenfalls Belladonna-Symptome zeigte, führte die Autoren zur Auffassung, dass es sich um ein nicht-lokales Wirksamkeitsprinzip in der Homöopathie handeln muss. Diese Auffassung teilten die meisten Forschenden und praktizierenden Homöopathen nicht.
Möllinger übernahm die Aufgabe, eine sorgfältige Datensammlung zu erstellen und ein gründliches, präzises Studiendesign zu erstellen. Das hiess, dass die Erfassung der Daten durch eine Person durchgeführt wird, welche in täglichen persönlichen oder telefonischen Kontakt mit den Studienteilnehmenden stand. Diese Studienteilnehmer sollen vertraut sein mit der Methode einer homöopathischen Arzneimittelprüfung. Der tägliche Kontakt sollte sicherstellen, dass die Teilnehmenden auch kleine Veränderungen wahrnahmen und aufschrieben, die bei unachtsamen Teilnehmenden als unwichtig einfach weggelassen würden. Weder der Studienleiter noch die Teilnehmenden wussten, welches Mittel getestet wird. Dem einen Teil der Gruppe wurde das Mittel verabreicht, dem anderen Teil der Gruppe Placebo. Walach fügt hier in seinem Artikel eine interessante Bemerkung an: es sei interessant zu beobachten, dass bei solchen Studien die Teilnehmenden, die Placebo erhielten, ebenfalls Symptome des Arzneimittels zeigen wie diejenigen, die es auch tatsächlich bekommen. Ausserdem stellt er fest, dass gerade diese Symptome in den meisten Studien ignoriert würden oder sich kaum jemand Gedanken macht, warum dies so sei.
Möllinger führte also diese doppelblinde Arzneimittelprüfung mit Homöopathen durch, und zwar mit Lebertran in der Potenz C30. Das Ergebnis: die Symptome fanden sich nicht nur in der Gruppe mit dem Verum, sondern auch in der Gruppe mit Placebo.
Diese Beobachtung wurde bereits von G. Bayr gemacht und 1986 im „The British Homeopathic Journal“ veröffentlicht.
2013 führte Teut eine randomisierte, placebo-kontrollierte, präzis verblindete Arzneimittelprüfung von „Okoubaka C12“ durch.(4) Es wurden die qualitativen Forschungsmethoden angewandt, die der homöopathischen Spezifikation von individualisierten, charakteristischen Symptomen Rechnung trugen. Man wollte keine „nicht-charakteristischen“ Symptome für die statistische Analyse. Die Auswertung ergab keine signifikanten Unterschiede bei der Anzahl von charakteristischen Symptomen zwischen Okoubaka und Placebo. Der qualitatitve Vergleich der Symptome ergab allerdings eine grosse Überschneidung der Symptome zwischen Verum und Placebo. Der Autor deutete dieses Resultat als gewichtigen Nocebo-Effekt in beiden Guppen. Als alternative Erklärung sah der Autor eine spezifische Reaktion beider Gruppen, was heissen würde, dass die spezifischen „Okoubaka“ Symptome nicht direkt auf die Einnahme des Mittels zurückzuführen wären.
Das führte die Autoren in die Richtung, dass nicht mehr nur Arzneimittelprüfungen als Wirksamkeitsmodell herangezogen würden. Sie untersuchen daraufhin die entsprechenden Erklärungsmodelle bezüglich der Wirksamkeit. Dies führte zu folgender Untersuchung: Symptome werden wie bis anhin täglich erhoben. Es wird dreifach verblindet, d.h. alle involvierten Parteien wissen nicht, welches Mittel getestet wird. Ausserdem wird ebenfalls Placebo eingesetzt. Die Studie wird dreiarmig durchgeführt, d.h. in zwei Gruppen werden zwei Mittel gegeben, bei der dritten Gruppe wird Placebo abgegeben. Nach dem Erheben aller Daten (Symptome) wird die Liste einem unabhängigen Materia Medica Experten übergeben. Der Experte weiss nicht, wer welches Mittel bekommen hat, hat aber als einziger der Studie das Wissen, welches Mittel getestet wurde. Der Experte teilt die Symptome ein in a) typisch für das Mittel X oder b) typisch für das Mittel Y oder c) typisch für beide Mittel oder d) für keines der Mittel typisch. Dieses Vorgehen ergibt ein quantitatives Ergebnis.
Diese Pilotstudien wurden zweimal durchgeführt. Einmal wurde das homöopathische Mittel mit Placebo verglichen (5), das zweite Mal wurden zwei Mittel mit Placebo verglichen (6). Den Autoren ist in beiden Studien aufgefallen, dass mittelspezifische Symptome des Mittels bei derjenigen Gruppe auftraten, die das andere Mittel erhalten hat. Die Autoren verfeinerten das Setup der Studie. Sie entschlossen sich, zwei dreiarmige Studien durchzuführen, welche in einem gemeinsamen Datenset zusammengefasst würden. Bei beiden Studien gab es ein gemeinsam zu prüfendes Mittel. Das zweite Mittel war ein anderes. Also Gruppe A prüfte Mittel X und Y, Gruppe B prüfte Mittel X und Z. Die dritte Gruppe prüfte Placebo. Bevor die Daten ausgewertet wurden, wurde beschlossen, die gemeinsamen Symptome von Mittel X zu sammeln (7). Das Ergebnis der Studien zeigte mehr mittelspezifische Symptome in der Gruppe, welche das Mittel auch tatsächlich eingenommen hat (obwohl auch einige Symptome des geprüften Mittels in der anderen Gruppe auftraten). Dies war für die Autoren nicht nur eine klare Indikation sondern ein Beweis dafür, dass homöopathische Hochpotenzen in der Arzneimittelprüfung mehr Symptome des Arzneimittels zeigten, als wenn Placebo geprüft wird. Im Weiteren war es für die Autoren ein Hinweis dafür, dass homöopathische Effekte auf nicht-lokalen Ebene wirken.
Möllinger führte dieses Modell der Arzneimittelprüfungen weiter und zeigte mit seiner Arbeit klare Resultate mit den Mitteln Arsen und Natrium-chloratum (8). In der Arbeit wird eine Übersicht abgedruckt, welche Studien die zwei Autoren zwischen 1993 und 2013 durchgeführt haben. Daraus ziehen sie überzeugt die Schlussfolgerung, dass homöopathische Arzneimittelprüfungen mit Hochpotenzen klare Symptome zeigen, welche sich von anderen Symptomen anderer Mittel oder Placebo abheben.
Walach und Teut sind sich bewusst, dass das Überführen von Studienergebnissen in eine wissenschaftliche Tatsache noch einiger Zwischenschritte bedarf. Als erstes müsste man eine Replikation ihrer Arbeiten durchführen, was zu ihrem Bedauern noch nicht geschehen ist. Sie bemühten sich um Gelder, um Follow-up-Studien durchführen zu können, waren aber bis anhin leider erfolglos.
Im letzten Abschnitt weisen sie noch auf die Tatsache hin, dass von Kritikern und Journalisten der Homöopathie oft vorgeworfen wird, dass sie keine Wirksamkeitsbeweise erbringen kann. Aufgrund solcher Diskussionen haben die Autoren ihre Studie und die Studienergebnisse weitergeschickt, um zu zeigen, dass dieser Vorwurf nicht haltbar sei. Journalisten hätten ihre Arbeiten ignoriert und ihre Artikel in gewohnter Manier verfasst und von Kritikern höre man meist dann gar nichts mehr.
Schlussfolgerung
Den zwischen 1945 und 1995 durchgeführten Studien betreffend Arzneimittelprüfungen liegt folgende Denkweise zugrunde: wenn eine Arzneimittelprüfung verblindet und placebokontrolliert ist, zeigen sich klare Unterschiede in der Symptomatik zwischen dem homöopathischen Mittel und Placebo. Die Arbeit der Autoren widerlegt allerdings diese Annahme. In den vergangenen 20 Jahren waren die Autoren um ein zukunftsfähiges und tragfähiges Modell von Arzneimittelprüfungen bemüht. Vor allem in Anbetracht dessen, dass Homöopathiekritiker noch nie so unfreundlich und harsch waren wie heute. Aus dem letzten Satz des Artikels hört man schon fast etwas Verzweiflung wenn die Autoren anmerken, sie vermissen junge, ehrgeizige Köpfe, die ihre Ideen aufgreifen und weiterentwickeln. Dies läge wohl der Tatsache geschuldet, dass man ein Schritt weiter gehen und sich von der Idee verabschieden müsse, dass der Homöopathie ein kausal lokales Prinzip zu Grunde liegt.
Referenzen
1 Scientific proving of ultra high dilutions on humans, Harald Walach and Michael Teut, Homeopathy (2015), 1-6
2 Walach H. Does a highly diluted homeopathic drug act as a placebo in healthy volunteers ? Experimental study of Belladonna C30. J Psychosom Res 1993 ; 37 : 851-860
3 Walach H., Hieber S., Ernst-Hieber E. Effects of Belladonna 12 Chand 30 CH in healthy volunteers. A multiple, single-case experiment in randomization design. In: Bastide M (cd). Signs and Images Selected Papers from the 7th and 8th GIRI Meeting, held in Montpelier, France, Nov. 20-21. 1993, and Jerusalem, Israel, Dec 10-11, 1994. Dordreht, Boston, London: Kluwer, 1997. Pp215-226
4 Teut M. Dahler J. Hirschberg U., et al. Homeopathic drug proving of Okoubaka aubrevilli: a randomised placebo-controlled trial. Trials 2013 ; 14 (96)
5 Walach H., Sherr J., Schneider R. et al. Homeopathic proving symptoms: result of a local, non-local, or placebo process? A blinded, placebo-controlled pilot study. Homeopathy 2004 ; 93 :179-185
6 Möllinger H., Schneider R., Löffel M. et al. A double-blind, randomized, homeopathic pathogenetic trial with healthy persons: comparing two high potencies. Forsch. Komplementärmedizin Klass. Naturheilkd 2004 ; 11 : 274-280
7 Walach H., Möllinger H., Sherr J. et al, Homeopathic pathogenetic trials produce more specific than non-specific symptoms: results from two double-blind placebo controlled trials. J Psachopharmacol 2008 : 22 : 543-552
8 Möllinger H., Schneider R. Walach H., Homeopathic pathogenetic trials produce symptoms different from placebo. Forsch. Komplementärmedizin 2009; 16:105-110